NMT – Hirnleistungstraining

Hier werden Behandlungstechniken der Neurologischen Musiktherapie nach Thaut zum Kognitionstraining beschrieben.

Die Rehabilitation kognitiver Funktionen kann durch musiktherapeutische Techniken nachhaltig verbessert werden. Kognitive Leistungen sind dem Musik machen immanent. Dies ermöglicht die Entwicklung von spezifischen musikalischen Übungen für Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Denken.

Musikalische Aktivierung von Wachheit und Bewusstsein

Quantitative Bewusstseinsstörungen sind Koma (nicht erweckbar), Sopor (auf Schmerzreiz kurzfristig erweckbar), und Somnolenz (auf Ansprache längerfristig erweckbar). Wache Menschen können sich in einem vegetativem Status befinden (Wachheit ohne Bewusstsein), in einem minimal responsivem Status (Wachheit mit Teilbewusstsein) oder über vollständiges Bewusstsein verfügen. Wache und bewusste Menschen können an einem akuten Psychosyndrom mit schweren neuropsychologischen Störungen leiden. Dazu gehören extreme Verlangsamung, fehlende Aufmerksamkeitsfokussierung, Haften an einzelnen Umweltreizen, Desorientiertheit, fehlendes Tag-zu-Tag-Gedächtnis, fehlende Willkürreaktionen, fehlendes Krankheitsbewusstsein (Anosognosie), psychomotorische Unruhe, Aggressivität oder Apathie. Für diese schwer betroffenen Patienten bietet das Musikalisch Sensorische Orientierungstraining (MSOT) einen ersten therapeutischen Zugang.
Es enthält zwei Teile:

(1) Ziele der musikalischen Frühstimulation sind die Anbahnung von Wachheit, Bewusstsein, basaler Orientierung zu Körper, Raum und Zeit sowie von ersten situationsadäquaten Reaktionen.

(2) Darauf aufbauend soll mit einfachen aktiv-musikalischen Übungen die anhaltende Aufmerksamkeit gefördert werden, zunächst unabhängig von der Richtigkeit der Reaktionen.

Musikalisches Wahrnehmungstraining

Im Gegensatz zum Sehsystem gibt es für das Hörsystem trotz hoher Bedeutung im Alltag bisher kaum neuropsychologische Übungsverfahren. Mit musikalischen Übungen können neurologische Störungen der auditiven Wahrnehmung gut behandelt werden.
Das Auditive Wahrnehmungstraining– Auditory Perception Training (APT) umfasst zwei Teile:

(1) Im auditiven Wahrnehmungstraining wird die Unterscheidung von verschiedenen Klangkomponenten geübt, z.B. Tonhöhe, Dauer, Tempo und Rhythmus.

(2) Bei der sensorischen Integration werden verschiedene Sinnesmodalitäten kombiniert: Hören von Musik mit Spüren (z.B. Vibration), mit Bewegung (z.B. Wiegen) und mit Sehen (Vertonung von Bildern, z.B. Wolken).

Musikalisches Neglecttraining

Bei einem Neglect sind Wahrnehmung und Aufmerksamkeit für die der Hirnschädigung gegenüberliegende Raum- und Körperhälfte beeinträchtigt. Ein Neglect ist meist multimodal, d.h. die Patienten vernachlässigen optische, akustische und taktile Reize auf der betroffenen Seite und/oder bewegen die Gliedmaßen auf dieser Seite zu wenig. Dabei sind Sehen, Hören, Sensibilität und Bewegung grundsätzlich erhalten. Für die Therapie erschwerend kommt hinzu, dass die Störung den Patienten nicht bewusst ist (Anosognosie).

Im Musikalischen Neglect Training (MNT) lenken die Patienten während des aktiven Instrumentalspiels Sehen, Hören, Bewegung und Aufmerksamkeit unwillkürlich auf die vernachlässigte Seite. Musikalische Strukturen und die räumliche Anordnung der Instrumente in Richtung der vernachlässigten Seite sind hierzu hervorragend geeignete Hilfsmittel.

Musikalisches Aufmerksamkeitstraining

Neurologische Störungen der Aufmerksamkeit führen zu Minderung der allgemeinen Reaktionsfähigkeit, Verlangsamung, fehlerhafter Arbeitsweise, beeinträchtigter Aufmerksamkeitsteilung, Ablenkbarkeit und verminderter Daueraufmerksamkeit.

Im Rahmen des Musikalischen Aufmerksamkeitstrainings – Musical Attention Control Training (MACT) wurden spezifische Musikinterventionen für die Förderung der verschiedenen Aufmerksamkeitskomponenten entwickelt:
(1) Anhaltende Aufmerksamkeit wird durch allgemeine Reaktionen auf sich verändernde musikalische Reize aufgebaut.
(2) Selektive Aufmerksamkeit wird durch die Lenkung der Aufmerksamkeit auf einen bestimmten musikalischen Reiz, die Ausführung einer gezielten Reaktion auf diesen Reiz und die Ausblendung von anderen musikalischen Störreizen gefördert.
(3) Alternierende Aufmerksamkeit wird durch den Wechsel der Aufmerksamkeit zwischen zwei oder mehreren Reizen gefördert.
(4) Geteilte Aufmerksamkeit wird durch die gleichzeitige Beachtung von mehreren musikalischen Reizen und die Durchführung von bestimmten Reaktionen auf jeden dieser Reize trainiert.

Musikalisches Gedächtnistraining

Das Gedächtnis umfasst als komplexes System viele verschiedene Teilkomponenten. So können Störungen des Gedächtnisses sprachliche Inhalte (z.B. Texte) und/oder bildhaft-räumliches Material (z.B. Gesichter, Wege) betreffen. Es können neutrale Informationen (z.B. Nachrichten) oder persönliche Erlebnisse (z.B. Urlaub), kurz- oder langfristige Informationen (Minuten bis Jahre) sowie bewusste Inhalte (z.B. Gesprächsinformationen) oder unbewusste Routinen (z.B. Bewegungsabläufe) gestört sein. Beim Lernen kann das wiederholte Einprägen von neuen Informationen (z.B. Vokabeln) und bei dem sogenannten prospektiven Gedächtnis (Gedächtnis für die Zukunft) die Erinnerung für Termine und Vereinbarungen beeinträchtigt sein.
Im Musikalischen Mnemoniktraining (MMT) dienen musikalische Reize (Lieder, leicht zu erinnernde Melodien) als Erinnerungsschablonen, in die nicht-musikalische Gedächtnisinformationen (z.B. Namen, Informationen zur Orientierung) eingebunden werden. Durch die Erinnerung an die musikalische Struktur wird der Abruf der nicht-musikalischen Gedächtnisinformationen erleichtert.
Eine Variante ist das Stimmungsabhängige Gedächtnistraining– Associative Mood and Memory Training (AMMT), in dem Gedächtnisinformationen mit einer durch Musik induzierten Stimmung verknüpft und so die gelernten Informationen an Gemütsknoten angekoppelt werden.

Musikalisches Planungstraining

Exekutive Funktionen umfassen die Planung, Ausführung, Kontrolle und Bewertung von Handlungen auf praktischer, sprachlicher und gedanklicher Ebene. Als höchste menschliche Hirnleistung hierbei gilt die Abstraktionsfähigkeit. Diese ermöglicht die Überschreitung von konkreten Dingen durch die Bildung gedanklicher Konzepte. Entsprechend gehören zu den exekutiven Störungen mangelnde Abstraktionsfähigkeit und verminderte Flexibilität, mangelnde Entscheidungsfähigkeit, beeinträchtigte Umsetzung von Plänen in Handlungen, vorschneller Einsatz nicht zielgerichteter Handlungen, Regelverstöße, mangelnde Fehlerkontrolle und mangelndes Lernen aus Fehlern, rasches Aufgeben, Rechtfertigung bei Problemen und fehlendes Störungsbewusstsein. Im Musikalischen Exekutivfunktionstraining (MEFT) können alle diese Komponenten mit musikalischen Übungen in der Gruppe oder auch einzeln trainiert werden. Die Gruppentherapie ist speziell für die Übung von zielgerichteter Dialogführung und Zusammenarbeit geeignet.